Statement zu den aktuellen Protesten von Landwirt:innen

Die letzten Wochen waren meine Arbeit und meine Gedanken besonders geprägt durch die Proteste unserer Landwirtinnen und Landwirten der Region. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zu einigen Aspekten hier Stellung zu nehmen:

Meine Stellung als Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg

Das politische System in Deutschland kennt drei Ebenen: Bund, Land und Kommune. Die aktuellen Proteste richten sich gegen eine Entscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat. Ich bin Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg, also direkt gewählter Abgeordneter auf der Landesebene. Das heißt nicht, dass ich mich mit den Themen und Anliegen nicht beschäftige. Ganz im Gegenteil: In den letzten Tagen habe ich mich intensiv mit der Situation von Landwirt:innen befasst, Gespräche geführt und Anfragen beantwortet.

Meine Nichtteilnahme an den Demonstrationen als Geringschätzung zu werten, ist deshalb falsch. Zeitgleich zu den geplanten Demonstrationen und Sternfahrten war ich in nicht unbedeutsamen, einmaligen und bereits lange vereinbarten Terminen gebunden. Alle diese Termine hatten gemein, dass es sich um Projekte handelte, die ich seit meiner Wahl in den Landtag intensiv und im Sinne der gesamten Region vorantreibe und die einen direkten Landesbezug aufweisen. Sehr gerne stehe ich aber selbstverständlich weiterhin für direkte Gespräche und Telefonate zur Verfügung und freue mich auch über Anfragen und E-Mails. Mich interessiert, was Sie bewegt!

Die Situation in Baden-Württemberg

Die Proteste richten sich explizit gegen die Entscheidung der Bundesregierung, nicht gegen die Arbeit der Landesregierung. Baden-Württemberg nimmt bei der Landwirtschaft auch eine besondere Situation ein. Im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern bearbeiten viele Landwirt:innen hier kleinere Flächen und Sonderkulturen, haben größere Fahrtwege und am Ende einen kleineren Gewinn. Auch ist die Quote von Nebenerwerbslandwirt:inen deutlich erhöht. In Baden-Württemberg haben wir uns dafür eingesetzt und tun dies auch weiterhin, den Anteil der Bio-Landwirtschaft deutlich zu erhöhen. Kleinere Flächen, Steilllagen, Biolandwirtschaft, all das ist mit mehr Fahrten verbunden, weshalb die Kürzungen der Bundesregierung hier deutlicher schmerzen. Das kann ich nachvollziehen und möchte zeitgleich auf ein positives Beispiel aus der Landespolitik verweisen. Um die Herausforderungen der Landwirtschaft in Baden-Württemberg zu lösen hat die Landesregierung den „Strategiedialog Landwirtschaft“ geschaffen. Ich begrüße dieses Format sehr und durfte vor kurzem selbst an einer Anhörung dazu teilnehmen. Im Strategiedialog sitzen alle relevanten Partner:innen an einem Tisch: Landwirtschaft, Naturschutz, Verwaltung, Lebensmittelhandel, Gewerbe. Gemeinsam werden Lösungen gesucht und gefunden. Der Strategiedialog hat bereits Schule in Europa gemacht. Es würde mich freuen, wenn die Bundesregierung in Zukunft ebenfalls ein solches Format einführen würde.

Zuletzt haben meine Kolleg:innen und ich in der GRÜNEN Landtagsfraktion ein Positionspapier verabschiedet, das ebenfalls zentrale Punkte aus der aktuellen Diskussion aufgreift, denn wir GRÜNE stehen für eine nachhaltige und zukunftssichere Land- und Forstwirtschaft.

Die Ampel muss bleiben

Egal ob als Todesanzeige oder am Galgen, der Rücktritt der Ampel wird auf vielen Demos gefordert. Ich möchte hier entschieden widersprechen. Es stimmt, die Ankündigung zur Streichung der Kfz-Steuerbefreiung und die sofortige Abschaffung der Agrardieselsubventionen hat die Landwirtschaft über Gebühr belastet und vor allem wurde eine Belastung für eine Branche beschlossen, ohne im Vorfeld mit den Betroffenen zu sprechen. Danach hat die Ampel aber reagiert und in mühevoller Arbeit einen Kompromiss ausgearbeitet: Die Kfz-Steuerbefreiung bleibt und die Agrardieselsubvention wird schrittweise abgebaut. Das ist aus meiner Sicht schon ein deutlicher Fortschritt. Leider wurde in meiner Wahrnehmung der Kompromiss übermäßig schnell ausgeschlagen. Hier hätte ich mir eine genauere Prüfung und vertiefte Gespräche gewünscht, bevor die Absage zum Kompromiss erfolgt. Es darf eben nicht gelten: „Wir sind zu jedem Dialog bereit, aber zu keinem Kompromiss“.

In den aktuellen Diskussionen geht leider unter , was die Ampelregierung und der GRÜNE Landwirtschaftsminister Cem Özdemier bereits erreicht haben: Im Bereich Tierwohl und Stallumbauten wird unter der Ampelregierung so viel investiert wie nie. Verpflichtende Haltungskennzeichnung und europäische Herkunftskennzeichnung sind weitere Erfolge, die entweder bereits umgesetzt oder in der Umsetzung sind.

Deshalb muss die Ampel bleiben.

Die Vergangenheit nicht vergessen

Im Rahmen der Proteste habe ich mich sehr gefreut, dass viele Landwirt:innen einen reflektierten Blick auf die eigene Situation haben. Das Problem ist aus meiner Sicht nämlich nicht die Streichung der Subventionen, sondern dass die Landwirtschaft mit jahrzehntelangen Fehlentscheidungen in eine Lage gebracht worden ist, wonach die Streichung von Subventionen nun teilweise lebensbedrohlich sind. Vom Verkauf der eigenen Produkte und von der eigenen Arbeit leben zu können ist weiterhin unser Grünes Ziel für eine auskömmliche Landwirtschaft. Weg von Geiz-ist-geil und wachse-oder-weiche hin zu regionale-nachhaltige Landwirtschaft, dafür setzen wir uns im Strategiedialog ein und auch meine Kolleg:innen aus dem Arbeitskreis Landwirtschaft kämpfen dafür. Aber bei allen Ideen für die Zukunft gehört es in der aktuellen Emotionalität dazu, die Vergangenheit nicht ganz zu vergessen. Auf den ersten Blick mag es verlockend sein, der Ampelregierung nun die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen, es macht aber durchaus Sinn, weiter und tiefer zu blicken, weit über die Ampelregierung hinaus.

Wie wir miteinander umgehen

„Hängt die Grünen“, „Die Ampel muss weg“ und viele weitere Parolen sind zwar teilweise durch die Meinungsfreiheit gedeckt, aber aus meiner Sicht keinesfalls geboten und entbehren teilweise jeder Form von Respekt. Redner:innen beim Betreten der Bühne auszubuhen oder auszupfeifen bringt keinen von uns weiter. Vergessen wir in all der Emotionalität nicht: Wir alle sind Menschen mit Kopf und Herz, die mit Verständnis, Empathie und Geduld versuchen diese Land gemeinsam nach vorne zu bringen.

Den Bundeslandwirtschaftsminister mit kräftigem „Hau ab“ beim Bürgerdialog zu begrüßen zeigt keine Bereitschaft sich gegenseitig zuhören zu wollen. Strohballen, Gummistiefel und Gülle vor den Büros von Kolleg:innen abzuladen fördert dies in gleich geringem Maße und ist, wenn es ums Wohnhaus geht eine ernste Grenzüberschreitung. Ich freue mich sehr, dass die Demonstrationen regional weit überwiegend friedlich und unter gegenseitigem Respekt stattfanden. Trotzdem stehen bekanntermaßen auch zwei Galgen in Laufenburg. Die Distanzierung von rechten Scharfmachern war bisher in der Region sehr deutlich, was für mich sehr wichtig ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir in Zukunft in einem friedvollen Dialog aufeinander zugehen und weiterhin nicht den rückwärtsgewandten Ideen von Rechtspopulisten und Rechtsextremen anhaften.

Wir müssen wieder mehr zuhören. Wir müssen davon ausgehen, dass unser Gegenüber auch einmal recht haben kann und wir sollten vor allem eines beachten: Wir brauchen in Deutschland wieder mehr Haltung, lieber als mehr Meinung.